Ein Sommernachtstraum



Immer wieder der selbe Ablauf. Ich freue mich wochenlang auf mein Zielgewässer.
Jede Minute in Gedanken an diesen See, seinen noch nicht in den Händen haltenden Fischen.
Die gut durchdachte Futterkampagnie kann ihre Wirkung nicht verfehlen.
Das werden meine Tage, meine Fische !!!
Mit der Familie ist alles geklärt. Zwei hoffendlich erfolgreiche Tage liegen vor mir.
Das Tackle ist verstaut, es geht endlich los. Das Adrenalin durchzieht meine langsam ins Alter kommenden Gehirnwindungen.
Nur noch die letzte Kurve dieses noch im Dunkel der Nacht schlummernden Waldweges und ich habe meinen angestammten Platz erreicht.
Eine schmale Landzunge die sich gute 80 Meter in den so geliebten Kiessee schiebt.
Doch dann … Ernüchterung.
Vor mir bauen sich die Siluetten zweier Bivies auf. Vorbei, alle durchexerzierten Abläufe.
Alle bereits in Gedanken in den Händen haltenden Fische...aus und vorbei.
Was nun?
Ich muss auf einen ungeliebten Platz ausweichen, der mir noch nie Fisch brachte.
Zwei Tage verstreichen ohne jegliche Aktion.


Nun, so etwas kommt vor werden sich einige von Euch denken. Ja, nur leider wird es langsam
zur Regel.
Die Anhänger unseres so geliebten Hobbys haben sich in den letzten Jahren vervielfacht.
Wem kann man es verdenken?
Hinzu kommt, dass es in den neuen Bundesländern ein „Relikt“ aus der DDR-Epoche gibt, den sogenannten DAV (Deutscher Angler Verein).
Als DAV-Mitglied ist man berechtigt hunderte von Vereinsgewässern zu befischen.
Das hört sich doch super an, oder?
Ja, nur unterliegen diese auch einem dementsprechenden Angeldruck. Die Zeiten an denen man für sich allein an einem Gewässer fischte sind lange vorbei...falls es sie je gab.
Auseinandersetzungen mit alteingesessenen Anglern sind leider an der Tagesordnung. Neid, fehlende Toleranz oder einfach nur Unwissenheit sind oftmals die Auslöser.
Für mich wird es Zeit. Wie heißt es so schön...Auf zu neuen Ufern !


Mein langjähriger Angelkollege teilt meine Ansichten.
Wir legen den Fokus auf die großen Naturseen, welche nicht durch den DAV bewirtschaftet werden.
Als Einstieg wählen wir einen ca. 300 ha großen Flachlandsee.
Für mich der niemals an Gewässern jenseits der 20 ha Marke gefischt hat ist diese Größe mehr als ausreichend.
Nur, wo sind die Fressplätze? 90 Prozent des Gewässers sind von einem dichten Schilfgürtel umsäumt. Die Struktur gleicht im Großen und Ganzen einer Badewanne. Einzig eine kleine Landzunge am Ostende ist von Landseite frei zugänglich.
Unser Blick schweift rüber zur anderen Seite. In etwa 250 Meter Entfernung erblicken wir das einzige Seerosenfeld des Sees.
Einen besseren Spot kann es kaum geben. Schnell bringen wir mit unserem Boot ein paar Hände Boilies und Tigernüsse ein bevor wir unseren Erkundungstrip beenden.
In den verbleibenden zwei Tagen bin ich in Gedanken wieder nur bei diesem See. Muss ich umdenken? Reicht mein „Kleingewässerwissen“ aus für solch eine Aufgabe?
Ich spreche mir Mut zu, schließlich habe ich die Fachliteratur in den letzten Jahren regelrecht aufgesogen.
Und was soll schon anders sein bei größeren Gewässern ?
Ich bin bereit!


Es ist soweit. Der Tag ist gekommen.
Das Wetter ist seit Wochen konstant. Für meinen Geschmack etwas zu heiß. seit gute 3 Wochen
haben wir konstante Temperaturen jenseits der 30 Grad Marke.
Nicht unbedingt ideal wenn ihr mich fragt.
Die letzte Biegung liegt vor mir. Mein Puls rast. Hoffendlich ist die Stelle frei.
Das Glück ist uns dieses Mal hold.
Wir beziehen unsere Plätze und bringen die Ruten aus. Dee angelt an dem so viel versprechenden
Seerosenfeld.
Ich entscheide mich für eine Schilfkante am gegenüberliegenden Ufer ca. 250 m entfernt.
Soweit entfernt habe ich noch nie gefischt. Dee brinkt 16'er Boilies ein, ich entscheide mich für Tigernüsse.
Wir sind der Ansicht, dass kleinere Köder mehr der natürlichen Nahrung der Karpfen ähneln als große. Der Erfolg wird uns hoffendlich Recht geben, wer weiss.
Unsere jeweils 2. Rute platzieren wir Ufernah vor unserem Camp.
Nach gut 2 Stunden können wir uns endlich unser hart verdientes Erfrischungsbier einführen. Wir kommen zur Ruhe, genießen den Moment.
Mein Blick schweift zu Dees Ruten. Im selben Augenblick „FULLRUN“ !!!
Wie liebe ich diese Momente wenn man gerade zufällig auf die Ruten blickt oder man zu sich „könnte mal wieder einer ablaufen“ sagt.
Und es kaum ausgesprochen auch passiert. GEIL !!! Mehr fällt mir dazu nicht ein.


Bevor ich es genau realisieren kann steht Dee bereits knietief im Wasser und nimmt Kontakt zum Fisch auf. Kurz danach Schnurbruch.
„Das darf doch nicht war sein !!“ Keine 2 Stunden nach Ankunft schon den ersten Biss und dann gleich sowas.
Wir philosophieren über die Ursache und kommen zu dem Schluss, dass wir evtl. doch mit einer Schlagschnur fischen sollten.
Noch mitten im Gespräch läuft plötzlich meine weit entfernte Rute ab. Kurz nach der Kontaktaufnahme … Schnurbruch. Ich bin der Verzweiflung nah.
Sollten wir vorher noch gezweifelt haben, sind wir uns jetzt sicher:
Wir brauchen eine Schlagschnur !!! Soviel ist sicher. Erkennbare Hindernisse gibt es nicht. Weder visuell noch auf dem Echolot. Es konnte sich nur um Muschelbänke oder Steine handeln.
Wir bringen die Ruten neu aus und begeben uns in unsere Biviies.


An Schlaf ist leider nicht zu denken. Ständig habe ich Aktion auf meiner ufernahen Rute. Ok … der Fisch muss raus. Kaum habe ich mich nach erfolgreicher Landung meines ersten Grossgewässerbrassens wieder ins Land der Träume verabschiedet, schon fängt der Tanz von vorn an. Vielleicht sollte ich noch bemerken, dass ich jedes mal hüfttief im Wasser stehe um die „geliebten“ Klodeckel zu landen – leider ohne Wathose.
Das kann einem auf die Nerven gehen. Egal – ich bin ja schließlich zum Fischen hier.
Nach dem ich das Gefühl hatte die gesamte Nacht im hüfttiefem Wasser verbracht zu haben und sich der mangelne Schlaf mehr als bemerkbar machte musste ich gegen 4:00 Uhr feststellen, dass mein Bissanzeiger defekt war.


Eindeutig !!! Der Dauerton lies in meiner Verfassung keine andere Schlussfolgerung zu .
Nebenbei bemert: Ich stand nicht unter Einfluss von Alkohol.
„Der hängt“ sagte ich mir und versuchte die Funke auszuschalten. Doch irgendwie gelang es mir einfach nicht dieses verdammte Ding zum schweigen zu bringen.
Plötzlich stand mein Kollege Dee vor mir und fragte mich was ich da eigentlich veranstallte.
Ich weihte ihn in meine hochqualifizierte technische Einschätzung meiner eindeutig defekten Funke ein, was ihn zu folgender Aussage zwang:


„ Komm mal klar - hier draussen läuft einer ab !!!“


Erst jetzt realisierte ich das meine vermeindlich defekte Funke ein sensationeller Fullrun war *bekloppt*. Nach knallhartem Drill konnte ich den bis dato größten Fischer meiner „Anglerlaufbahn“ landen. Ein schöner 18kg-Spiegler.
Ok – dafür nimmt man gern mal ne schlaflose Nacht in kauf !!! Die Rute lies ich draussen um wenigsten noch 2-3 Stunden Schlaf nachzuholen.


Gegen 8:00 Uhr war es allerdings vorbei mit dem Schlaf. Wir Frühstückten ausgiebig und entschlossen uns, auf Grund der angesagten irren 35 Gard und meiner schlaflosen Nacht, die Session vorzeitig abzubrechen.
Dee setzte mich darüber in Kenntnis, dass er Nachts um 1:00 nochmals einen Fisch verloren hatte.
Was für'n Pech !!!
Natürlich machten wir noch eine ausgiebige Fotosession mit meinem Besucher aus der vorangegangenen Nacht.
Gegen 9:00 Uhr lief dann auch noch Dees weit entfernte Rute ab. Dieses mal fuhren wir dem Fisch entgegen um das Risiko eines Schnurbruchs zu minimieren. Ein schöner 20 Pfünder fand den Weg in unseren Kescher.
Spätestens jetzt hätten wir uns zum bleiben entschließen MÜSSEN !!!
Wir waren der festen Meinung eine „Goldschatz“ gefunden zu haben. Fünf Bisse beim ersten Ansitz
und unter diesen Bedingungen – das musste einfach so weitergehen.
Also packten wir unsere sieben Sachen und machten uns in der Gewissheit auf kommende Sternstunden auf dem Weg heimwärts.


Der defekte Bissanzeiger




Mitlerweile haben wir Winter. Ich habe noch einige Erfolge mit schönen Fischen erlebt. Leider waren die Mehrheit der absolvierten Sessions von Niederlagen geprägt. Solch eine Nacht ist an diesem Gewässer mehr als selten – das ist mir jetzt klar.
Dennoch – ich komme wieder !!! Dieser See hält noch einige Überraschungen bereit – dessen bin ich mir sicher.


Wir sehen uns im nächsten Jahr....



MfG Heidsch

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